Aus ausgehöhlten Ortskernen dick gefüllte Krapfen backen
Mitte September hat die Holzwelt Murau im Benediktinerstift St. Lambrecht die Ergebnisse aus einem ersten Analyseprozess für die Ortskernentwicklung im Bezirk Murau präsentiert. Wir haben bei den Proponenten nachgefragt, was dahintersteckt.
Wie viele ländliche Regionen besteht auch der Bezirk Murau aus Donuts – aus Orten, die in der Mitte leer sind, während sich am Rande auf der grünen Wiese dicht an dicht Fachmarktzentren und Unternehmen drängen. So weit, so gut – bzw. nicht gut. In der Holzwelt Murau hat sich nun ein Projektteam formiert, das dieser Entwicklung langfristig entgegentreten will. Das Ziel des Projektes ist es, die aktuelle Situation umzukehren. Aus den bestehenden Donuts sollen prallgefüllte Krapfen gebacken werden. In einem ersten Schritt wurden sechs Orte – Murau, Stadl-Predlitz, St. Peter am Kammersberg, St. Lambrecht, Oberwölz und Neumarkt – gemeinsam mit Experten des Architekturbüros nonconform analysiert und die Ergebnisse den Gemeinden präsentiert. Gefördert wird die Initiative vom europäischen Fonds für Regionalentwicklung (EFRE).
Trotz der spürbaren Sehnsucht vieler Menschen nach Land und Natur sind die Orts- und Stadtkerne ländlicher Regionen einer sichtbaren Veränderung ausgesetzt. Was soll das neue Projekt der Holzwelt bewirken?
Bgm. Thomas Kalcher: Ein Umdenken, um die ländlichen Ortskerne im Spannungsfeld zwischen ihrer Geschichte und der Zukunft zu gestalten. Eines ist klar: Man darf nicht dem Irrtum erliegen, dass man Geschäfte, die man aufgrund der Flächen- und Parkplatzsituationen an den Ortsrand verloren hat, wieder ins Zentrum bringt. Es geht vor allem um neue Funktionen, die man in die Zentren bringen sollte. Diese sollte man gemeinsam suchen und entwickeln. Die Digitalisierung kann dabei eine wichtige Rolle spielen.
Warum hebt man ein so schwieriges Projekt gleich auf Bezirksebene? Es könnte sich ja auch nur die Stadt Murau allein damit beschäftigen.
Bgm. Thomas Kalcher: Durch die Abstimmung mit anderen Orten im Bezirk, die ähnliche Problemlagen aufweisen, möchten wir gezielt Mehrwert schaffen. Mit gegenseitigen Anregungen in einem koordinierten Vorgehen kommen wir sicherlich schneller und besser ans Ziel. Dieser Mehrwert hat sich bereits beim gemeinsamen Impulsabend in St. Lambrecht bezahlt gemacht.
Was braucht es, dass die Menschen wieder vermehrt aufs Land ziehen? Sind der Bezirk Murau und die Murauer Gemeinden in Corona-Zeiten als Wohnsitzgemeinden attraktiver geworden?
Bgm. Thomas Kalcher: Eins ist Faktum: Wenn es um räumliche Ausdehnung geht, um intakte Natur oder um natürlichen Lebensraum, hat der Bezirk Murau mehr als genug davon. All jene Menschen, die diese Werte schätzen, sind besonders hier in Murau herzlich willkommen.
Wie soll die Bevölkerung mit eingebunden werden?
Harald Kraxner: Ohne Bevölkerung wird es nicht gehen. Erfolgreiche Beispiele in Österreich wie auch in Deutschland zeigen, dass es überall dort, wo die Bevölkerung aktiv miteingebunden worden ist, durchaus möglich ist, wieder mehr Leben in die Innenstädte zu bekommen.
In welchen Bereichen will man konkret in den nächsten Jahren ansetzen?
Harald Kraxner: So wie sich die Entwicklung abzeichnet, kann man die Aktivitäten in zwei Bereiche fassen: Einmal in Kernliegenschaftsentwicklungen und einmal in Kernaktivitäten, ausgehend von den jeweiligen Gegebenheiten vor Ort.
Naturgemäß braucht es da individuelle Ansätze für jeden einzelnen Ort.
Harald Kraxner: Natürlich braucht jeder Ort ein eigenes Konzept. Wir wollen zwei grobe Schienen fahren. Einerseits möchten wir Ortsteile für die Nutzung revitalisieren – etwa Wohnquartiere schaffen. Andererseits fahren wir die Kunst- und Kulturschiene zur Ortsbelebung.
Welche Rolle spielt bei der Ortszentrenentwicklung die Kultur?
Roland Horn: Für mich als Projektleiter der Standortentwicklung eine sehr sehr wichtige. Sie ist auch eine der Säulen für mögliche Entwicklungen und Impulse. Einige davon haben sich schon im Rahmen des Analyseprozesses, durchgeführt vom Architekturbüro nonconform, das den Prozess begleitet, angeboten. Sie werden auch Teil der weiteren Betrachtungen sein.
„Co-Working“ ist zurzeit in aller Munde – gibt es dazu in der Holzwelt bereits erste Projektideen?
Roland Horn: Ja, diesbezügliche Projektideen gibt es, auch möglich Orte Aber das ist noch Teil der Entwicklung und des zukünftigen Prozesses. Es ist auf jeden Fall ein Thema, an dem mir dran bleiben.
Was ist bis Ende des nächsten Jahres konkret geplant?
So Corona es zulässt, werden wir bereits demnächst in einigen Orten mit dem Prozess zur Entwicklung beginnen und weitere Ideen für Projekte sammeln. Ich bin zuversichtlich, dass wir hier bereits einige kleine, feine Projekte an den Start bringen können.