Nach einem Jahr ohne Reisen macht sich das Fernweh breit – vor allem jetzt, wo man doch normalerweise die Sommermonate plant und Urlaube bucht. First World Problem mag dem ein oder anderen durch den Kopf gehen. Allerdings steckt hinter dem Wunsch, Urlaub zu machen, oft mehr als die Sehnsucht nach der Ferne. Einfach mal weg, Tapetenwechsel, Überdruss an der aktuellen Situation und Ähnliches sind Worthülsen, die zu beschreiben versuchen, was dem Fernweh zugrunde liegt: die Unzufriedenheit mit dem Ist-Zustand und der Drang, das Hier und Jetzt zu verlassen. Soweit so gut. Doch zusätzlich ist da das Bedürfnis, aus der eigenen Rolle hinauszusteigen, die man im Alltag spielt. Anderswo kann man jemand anderes sein, wenn auch nur für kurze Zeit. Der geografische Abstand vom täglichen Einheitsbrei erlaubt es, eine abgeänderte Version von sich selbst zu leben. Weltoffen, leichtfüßig und ankaramellisiert von der Sonne nimmt man alles um sich schöner wahr. Vielleicht ist es also nicht der Urlaub per se, den wir vermissen, sondern dieses andere Ich, das wir dort sein können.